Auf dem Elberadweg bei Jerichow

Wer kennt sie nicht, die Legende von der biblischen Stadt Jericho, deren Mauern unter dem Klang von sieben Trompeten einstürzten. Mit dem Elbort Jerichow hat das allerdings rein gar nichts zu tun, denn dessen Name geht auf einen slawischen Personennamen zurück. Was mich aber nicht davon abhält dem Jerichower Land einmal einen Besuch abzustatten.

Start- und  Endpunkt meiner Tour ist die Kleinstadt Genthin, die an der Bahnstrecke Berlin-Magdeburg liegt und mit dem Regionalzug ab Berlin in rund einer Stunde Fahrzeit sehr gut erreichbar ist. Das war es dann aber auch schon mit den Vorzügen, denn die Stadt ist nicht sonderlich interessant. Gleiches gilt für die 13 km lange Fahrt auf der Kreisstraße (ohne Radweg) in Richtung Elbe, und auch der Ort Parey (Elbe) hat trotz des wohlklingenden Namens kaum Fotografierenswertes zu bieten. Dort stoße ich auf den Elberadweg D10, dem ich nun in nördlicher Richtung folge.

Den ersten schönen Blick auf das Elbtal bekomme ich von der Siedlung Ferchland aus, die etwas südlich des Ortes Ferchland und oberhalb eines Steilhangs gelegen ist. Mit den knorrigen und vom Wind geformten Bäumen im Vordergrund hat man hier fast das Gefühl auf eine mediterrane Landschaft zu blicken.

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Auf dem Deichweg nördlich von Ferchland fühlt man sich dann jedoch sofort wieder in Norddeutschland, denn hier weht auf ein kräftiger Westwind und der Blick fällt auf eine weite Wiesenlandschaft.

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Kurz darauf bietet sich die Möglichkeit, mit dem Fahrrad direkt an das Flussufer und an den Elbstrand heranzufahren. Sehr schön sind hier die gelben Blüten des Wiesen-Alant (Inula britannica), der als Charakterart der Flussstromtäler überall entlang der Elbe zu finden ist.

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Als nächster Ort folgt Klietznick, wo sich an einem Bauernhof frische Milch aus einem Automaten zapfen lässt.

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Schließlich erreiche ich den Ort Jerichow. Das ehemalige Kloster Jerichow wurde ab 1149 im Stil der Spätromanik errichtet und ist das älteste Backsteingebäude Norddeutschlands. Auf dem weitläufigen Gelände befinden sich neben dem Klostergarten auch eine Brennerei und ein Backsteinmuseum. Im Klosterhof stoße ich unerwartet auf eine Versammlung von Zweiradfreunden, die hier an jedem 2. Augustwochenende das Jerichower Oldtimertreffen veranstalten. Zu sehen ist alles, was in der Zweiradwelt der DDR Rang und Namen hatte – von den im benachbarten Brandenburg an der Havel gebauten Vorkriegsmarken Brennabor und Excelsior über die Simson-Klassiker der sogenannten „Vogelserie“ (Schwalbe, Spatz, Star, Sperber und Habicht) bis hin zur schnittigen MZ Trophy.

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Am Ortsausgang entdecke ich noch eine schöne Holländer-Windmühle aus dem Jahr 1857 – eine von rund 400 noch in Deutschland existierenden Mühlen dieses Typs, von denen nur noch ein gutes Dutzend in Betrieb ist. Es erstaunt doch immer wieder, wie es früheren Generationen gelungen ist selbst Industriegebäude mit einer freundlichen Ästhetik zu verbinden, die sich harmonisch in die Landschaft einfügt – besonders wenn man sie mit dem sterilen Design heutiger Windkraftanlagen vergleicht.

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Wer Interesse am Bau einer Holländer-Windmühle hat – ein Bauplan findet sich hier: http://www.notechmagazine.com/2012/10/building-plans-of-dutch-industrial-windmills-1850.html

In Jerichow endet nun meine Tourbeschreibung, obwohl ich wie geplant noch eine große Runde durch das Jerichower Land zurück nach Genthin gefahren bin. Warum das? Nun, der Rückweg über die Orte Mangelsdorf, Wulkow, Altenklitsche und Zabakuck ist unspektakulär und die Landschaft ist mit ihren Maisfeldern und Kiefernforsten derart eintönig, dass ich kaum Fotografierens- oder Beschreibenswertes entdecken konnte. Interessant sind jedoch die slawischen Ortsnamen:

Altenklitsche (von slawisch klita = schlechtes Haus)
Wulkow (ursprünglich Wulcowe = Wolfsort)
Zabakuck (ursprünglich Sabekuk = Froschesser)

Es scheint sich also auch in früheren Zeiten schon um eine recht „periphere“ Gegend gehandelt zu haben. Fazit: Schön ist hier vor allem der Elberadweg – das Hinterland muss man dagegen nicht unbedingt gesehen haben.

Zurückgelegte Strecke: 67 km