Fahrt durch das Havelländische Luch

Das Havelländische Luch ist eine Niederungslandschaft, die sich im Zentrum des Havellandes befindet. Etwa 50 km westlich von Berlin gelegen, ist das Gebiet vielen Bahnreisenden als eine etwas eintönig wirkende Wiesenlandschaft entlang der ICE-Strecken Berlin-Wolfsburg und Berlin-Hamburg bekannt. Nicht besonders spannend, wie man meinen sollte, jedoch lebt hier eine der seltensten Vogelarten Deutschlands – die Großtrappe (Otis tarda) – mit bis zu 18 kg Gewicht und 2,50 m Flügelspannweite einer der größten flugfähigen Vögel der Welt. Grund genug, mir das Refugium dieser kuriosen Tiere ein wenig genauer anzusehen.

Ich starte am Bahnhof Paulinenaue und fahre zunächst über Retzow in südlicher Richtung. Die Strecke ist mäßig interessant und der starke LKW-Verkehr lässt hier bei Radfahrern wenig Freude aufkommen. Ab Möthlow wird es interessanter, denn es eröffnet sich die weite Landschaft des Großtrappenschongebietes, welches bereits 1976 zu DDR-Zeiten angelegt wurde. Das Betreten ist hier vom 1.3. bis zum 31.8. verboten, es gibt aber auf der Westseite des Geländes zwei Beobachtungstürme, die ich nun ansteuern werde.

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Ab Barnewitz lässt zum Glück der Verkehr etwas nach, was offenbar auch ein Biber zu schätzen weiß, der hier direkt am Straßenrand einige Bäume angenagt hat.

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Nördlich von Garlitz zweigt rechts ein kleiner Weg zum Trappen-Beobachtungsturm ab. Hier haben sich schon einige Vogelfreunde mit Ferngläsern, Spektiven und Teleobjektiven eingefunden um die versteckt lebenden Vögel in der Landschaft aufzuspüren, was gar nicht so einfach ist. Nachdem ich anfangs nur Rehe sehe, entdecke ich in größerer Entfernung schließlich doch einige der imposanten Vögel – ein Männchen im Prachtgefieder, ein einzelnes Weibchen und etwas weiter weg eine Gruppe von 6–8 Tieren. Safari-Feeling in Brandenburg! Mit dem Fernglas und 8-facher Vergrößerung lassen sich zumindest schon ansatzweise die Gefiederfarben erkennen. Netterweise lässt mich ein aus Bayern angereistes Ehepaar durch sein Spektiv schauen, und damit sind dann sogar Details der Gefiederzeichnung erkennbar.

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Nur rund 90 Tiere leben hier noch. Zusammen mit den anderen beiden Schutzgebieten Fiener Bruch und Belziger Landschaftswiesen sind es in Deutschland derzeit noch 238 Tiere von ursprünglich vielen Tausenden, die als typische Art der Agrarlandschaften noch Anfang des 20. Jhs. weite Teile der Mark Brandenburg bevölkerten. Weitere Informationen zu diesen interessanten Vögeln gibt es unter www.grosstrappe.de sowie eine PDF-Broschüre unter http://www.lugv.brandenburg.de.

Ich fahre weiter in Richtung Buckow und entdecke dort die schönste Kirche des Tages – die vermutlich aus dem 15. Jh. stammende Wallfahrtskirche Buckow. Das Dorf Buckow war über Jahrhunderte inmitten einer sumpfigen Gegend nur über einen Damm zu erreichen. Den Weg wies ein Licht auf dem Kirchturm. Direkt vor der Kirche sind auf einem Wandbild dann auch noch einige Großtrappen zu sehen.

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Der nächste Ort Nennhausen verfügt über ein Schloss, dessen Park angeblich für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Mein Besuch wird aber von zwei großen freilaufenden Hunden erfolgreich verhindert, so dass ich weiterfahre und im Ort Kotzen auf den Havelland-Radweg treffe, dem ich nun auf dem Rest meiner Tagestour folge. Auf einem Teil dieser Strecke war ich bereits bei einer früheren Tour unterwegs (siehe: Havelland – Das Ländchen Friesack). Die Route ist allerdings nicht besonders spannend. Jetzt im Frühjahr sind die Bäume und Wegränder noch unbelaubt und geben den Blick frei auf riesige öde Agrarflächen, und auch die Gräben wirken hier unangenehm verschmutzt – laut amtlicher Gewässerzustandsbewertung gehören der Große Havelländische Hauptkanal und seine angrenzenden Gräben gar zu den Gewässern mit dem schlechtesten ökologischen Zustand in Brandenburg. Dennoch ist der Havelland-Radweg sehr beliebt, und an einem sonnigen Tag sind hier zahlreiche Radfahrer unterwegs.

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Ein interessantes Gebäude entdecke ich im Ort Pessin. Das dortige Gutshaus derer von Knoblauch wurde vermutlich im 15. oder 16. Jh. als Fachwerkhaus im Renaissancestil erbaut und zählt zu den ältesten Herrenhäusern Brandenburgs. Der dahinter liegende, später angebaute Seitenflügel ist ebenfalls sehr dekorativ, steht aber derzeit leer und verfällt.

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Schließlich erreiche ich wieder meinen Ausgangsbahnhof Paulinenaue, der sich in einem nicht weniger üblen baulichen Zustand befindet. Das „Unternehmen Zukunft“ hat sich hier – wie überall – elegant aus der Verantwortung gezogen und lediglich ein Edelstahlgeländer als Schutz gegen die mit 230 km/h durchrauschenden ICE-Züge montiert, während das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude der überforderten Gemeinde überantwortet wurde. Nach einer halbstündigen Wartezeit im Schatten des stark nach Schimmel riechenden Gemäuers erreiche ich nach 45 Minuten Fahrzeit wieder Berlin und genieße dort die letzten Sonnenstrahlen des Tages.

Zurückgelegte Strecke: 60 km