Vom Polenmarkt nach Schwedt

Der Oder-Neiße-Radweg entlang des Nationalparks Unteres Odertal ist eine bekannte und beliebte Fahrradstrecke (siehe Tour: Nationalpark Unteres Odertal). Weniger bekannt und kaum frequentiert ist dagegen der Radweg auf der polnischen Seite der Oder, den ich bei meiner heutigen Tour erkunden möchte.

Ab Bahnhof Bad Freienwalde fahre ich zunächst über die Orte Schiffmühle und Altglietzen in Richtung Grenzübergang. Der Radweg führt an den Oderhängen entlang und bietet einen Blick auf die weite Landschaft des Oderbruchs. Im Grenzort Hohenwutzen sieht man auf dem gegenüberliegenden Ufer bereits die Gebäude des Polenmarktes, der sich direkt hinter der Brücke befindet.

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Der Polenmarkt Hohenwutzen – eigentlich müsste er Basar Osinów Dolny heißen, denn so lautet der Name des Ortes auf der polnischen Seite – befindet sich auf dem Gelände und inmitten der Ruinen einer ehemaligen Papierfabrik. Angeboten wird ein buntes Sortiment von Waren aller Art – von Kleidung, Lebensmitteln, Obst & Gemüse bis hin zu Eisenwaren, Gartenzubehör, Medikamenten und Autoersatzteilen. Daneben gibt es verschiedene Restaurants, Friseure und Kosmetiksalons, die ganz auf die Bedürfnisse des deutschen Schnäppchenpublikums zugeschnitten sind. Interessant sind für mich vor allem die frischen Waldpilze und Heidelbeeren, denn hier gibt es noch die echten, aromatischen Waldheidelbeeren – im Gegensatz zu den auf deutschen Märkten mittlerweile fast ausschließlich zu findenden Amerikanischen Kulturheidelbeeren, die länger lagerfähig sind, aber weniger Geschmack haben.

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Ich drehe einige Runden über den Markt und gelange über einen Ausgang auf der Rückseite des Marktes auf den Deichweg, der in nördlicher Richtung an der Oder entlang führt. Einen freien Blick auf den Fluss gibt es leider nicht, da der Weg auf der Binnenseite des Deiches verläuft. Entschädigt werde ich jedoch mit einer menschenleeren Landschaft und von Wildblumen gesäumten Wegrändern, an denen sich zahlreiche Schmetterlinge beobachten lassen, während über dem Fluss seltene Seeadler ihre Runden drehen, von denen es nur noch rund 80 Brutpaare in Brandenburg gibt.

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Nach 9 Kilometern Fahrt endet der Deichweg, und über die verschlafenen Orte Bielinek und Piasek geht es auf wenig befahrenen Asphaltstraßen durch ein größeres Waldgebiet, wobei der Weg jedoch nicht allzuviel Abwechslung bietet. Nur bei Piasek bietet sich noch einmal ein Blick auf einen Seitenarm der Oder.

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Interessanter und sehr hügelig wird die Landschaft dann kurz vor Zatoń Dolna. Schon bei der Anfahrt auf das idyllische und direkt am Fluss gelegene Dorf eröffnet sich eine weite Aussicht über das Odertal, wobei man in der Ferne den Ort Criewen und die Stadt Schwedt entdecken kann. Sehr einladend ist auch das kleine Café Wielski Kocur („Waldkater“), das neben Kaffee und Kuchen auch Naturexkursionen anbietet.

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Nördlich des Ortes befindet sich auf steilen Hügeln und ebenfalls direkt am Flussufer der Landschaftspark Dolina Miłości („Tal der Liebe“). Von der Frau eines Gutsbesitzers um 1850 als romantischer Privatpark angelegt, avancierte er gegen Ende des 19. Jh. zu einem beliebten regionalen Ausflugsort. Nach dem 2. Weltkrieg geriet der Park in Vergessenheit und verfiel, bis er 2011 wieder neu eröffnet wurde. Versprochen werden schattige Waldwege, Teiche und großartige Ausblicke auf das Odertal – wobei ich heute bei schwülwarmen 27 Grad allerdings nicht mehr die Motivation aufbringe die Hügel zu erklimmen und es bei einem Foto des Parkeingangs belasse.

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Auf den letzten Kilometern führt der Weg dann direkt am Fluss entlang, bevor ich über die Oderbrücke bei Krajnik Dolny wieder auf deutsches Gebiet zurückfahre.

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In Schwedt habe ich noch ein wenig Zeit um mir die Stadt anzusehen. Durch den 2. Weltkrieg und den anschließenden Stadtumbau in den 1960er und 70er Jahren sind nur wenige alte Gebäude erhalten, und die Altstadt ist entsprechend überschaubar. Prägnante Gebäude sind hier die zwei Stadtkirchen, das Amtsgericht und die Stadtmühle, die alle im Stil der Backsteingotik errichtet wurden. Mit zahlreichen Plattenbauten, breiten Straßen und in den Parks befindlichen Plastiken aus DDR-Zeiten strahlt die ehemals boomende Industriestadt auch heute noch einen gewissen „Ost-Charme“ aus. Ein schönes Beispiel für sozialistische Kunst am Bau ist das Glasmosaik am Vereinshaus Kosmonaut des Künstlers Erich Enge (1967).

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Gegen 18 Uhr besteige ich dann den Regionalzug, der mich in rund 1,5 Stunden zurück nach Berlin bringt.

Zurückgelegte Strecke: 58 km