Wendland-Tour (Teil 2)
Vom Hohen Drawehn zurück ins Elbtal

Dritter Tag. Nordwestlich des Ortes Clenze beginnt der Hohe Drawehn – ein eiszeitlich geformter Höhenzug, der die Begrenzung des Wendlandes zur westlich liegenden Lüneburger Heide bildet und sich bis auf 142 Meter über dem Meeresspiegel erhebt. Die hügelige Endmoränenlandschaft erinnert mit ihren Kiefernwäldern und sandigen Böden stark an Brandenburg und wirkt deutlich ruhiger als der intensiv landwirtschaftlich genutzte Niedere Drawehn zwischen Lüchow und Clenze. Über die Orte GohlefanzZarenthien und Sallahn fahre ich nun in einem großen Bogen in Richtung Dannenberg.

Heute wird es noch einmal richtig warm und die Mittagstemperaturen steigen auf 30 Grad. Ich bin daher froh, kurz vor Reddereitz einen Picknickplatz mit fließendem Wasser zu finden – eine willkommene Gelegenheit für eine Abkühlung und um den Wasservorrat aufzufüllen.

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Bei Prepow entdecke ich ein Feld mit einer ungewöhnlichen Ackerkultur: Es ist Tabak, der hier von polnischen Saisonarbeitern geerntet und verladen wird. Mit einem der Arbeiter komme ich ins Gespräch. Ab August werden die Blätter in mehreren Schritten von unten nach oben abgeerntet, wie ich erfahre. Die Ernte geht an einen Großeinkäufer und wird mit anderen Tabaksorten vermischt. Klima und Bodenverhältnisse scheinen hier ähnlich zu sein wie in der östlichen Uckermark, wo nördlich von Schwedt ebenfalls Tabak angebaut wurde (siehe Tourbericht Vom Oberuckersee in die östliche Uckermark).

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Obwohl sich heute wenig Fotografierenswertes bietet, ist es doch eine schöne und entspannte Tagesetappe von etwas über 50 Kilometern Länge. Auf einem bewaldeten Hügel finde ich zwischen blühendem Heidekraut eine trocken gelegene Campingstelle, wo ich gegen 19 Uhr mein Zelt aufschlage. Es wird eine ruhige Nacht.

Vierter Tag. Weiter geht es in die beiden Hauptorte des nördlichen Wendlandes – Dannenberg und Hitzacker. Um es kurz zu machen: Heute hält sich der Spaß in Grenzen. Dannenberg und Hitzacker sind zwar beides sehenswerte, lebendige Städte, doch leider ist das Wetter regnerisch und die Landschaft wenig einladend. Südlich von Dannenberg begleitet mich über Stunden ein penetranter Güllegeruch, der über trostlose Maislandschaften und biologisch tote Entwässerungskanäle weht. Die Fachwerkhäuser sind jedoch – zugegeben – auch hier wieder sehr schön.

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In einem kleinen Waldstück unter Birken und Kiefern finde ich dann in der Abendsonne schließlich doch noch einen idyllisch gelegenen Übernachtungsplatz. Noch bis in die Dämmerung ist das Klopfen der Spechte zu hören.

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Fünfter Tag. Der Morgen beginnt mit einer Fahrt durch den Ort Gorleben, der sich als freundliches Dorf direkt an der Elbe herausstellt. Ich hatte anderes erwartet (Absperrungen? Sicherheitsanlagen?), aber das berüchtigte Atommüll-Endlager Salzsstock Gorleben liegt einige Kilometer entfernt im Wald verborgen. Wenn man durch den ruhigen Ort fährt, kann man verstehen, dass die Menschen hier wenig Lust verspüren die Abfallgrube der Nation zu werden, nachdem der billige Strom der vergangenen Jahrzehnte hauptsächlich in den Industriezentren im Westen und Süden das Landes für Konjunktur gesorgt hat. In der Dorfbäckerei kaufe ich Brötchen und ein Stück Mohnkuchen, bevor es weitergeht.

Im nächsten Ort Meetschow finde ich einen Picknickplatz und mache eine Frühstückspause. Am Deich habe die Gelegenheit mein nasses Zelt in der Sonne zu trocknen.

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Nahe des Ortes Vietze geht es plötzlich (mehr oder weniger) steil bergauf, denn es geht auf den Höhbeck – einen eiszeitlich geformten Berg, der sich bis zu 76 Meter über die Elbe erhebt. Von einem Aussichtsturm bietet sich ein toller Ausblick über das Elbtal und auf die gegenüberliegende Stadt Lenzen. Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass die Elbe vor ihrer Eindeichung ein wilder Strom mit einem stellenweise bis zu 12 km breiten System aus Seitenarmen und Sandbänken war. Der Höhbeck war ursprünglich eine Insel inmitten des Flusses und bot daher eine günstige Lage für die Anlage einer Furt. Zur Zeit Karls des Großen standen sich hier das fränkisch-deutsche Reich und die slawische Welt gegenüber. Ein Ort mit spannender Geschichte also. Mit der kleinen Elbfähre verlasse ich das Wendland und setze auf das brandenburgische Ufer über.

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Lenzen an der Elbe ist dann noch einmal ein Highlight, denn die Stadt wirkt mit ihrer phantastisch erhaltenen Fachwerk-Altstadt wie aus der Zeit gefallen. Eine lebendige Filmkulisse, großartig!

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Wobei man „lebendig“ hier doch noch etwas einschränken muss, denn viele Häuser stehen leer und die Stadt macht einen fast menschenleeren und unbewohnten Eindruck. Was ist hier los? In Italien oder Frankreich würde man sich bemühen ein solches Juwel liebevoll und authentisch zu restaurieren, Kunsthandwerker und Läden für regionale Produkte ansiedeln und wäre sich eines touristischen Besuchermagneten sicher (noch dazu in direkter Nähe eines der beliebtesten Fernradwege des Landes). Leider nicht so in Brandenburg. Hier ist eher zu befürchten, dass die Altstadt mit einem „modernen Zentrum“ aus Asphalt, Beton und der üblichen Edelstahldekoration „aufgewertet“ wird, und so muss man vermutlich froh sein, dass Lenzen noch in diesem weitgehend unverbauten Zustand zu bewundern ist.

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Meine 5-Tages-Tour neigt sich nun dem Ende zu. Auf den letzten 28 Kilometern geht es noch einmal entspannt auf dem Elberadweg durch die weite und offene Landschaft, bevor ich gegen Abend wieder meinen Ausgangspunkt Wittenberge erreiche. Von hier bringt mich der Regionalzug in knapp 2 Stunden nach Berlin zurück.

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Zurückgelegte Strecke: 333 km

2 Kommentare zu “Wendland-Tour (Teil 2)
Vom Hohen Drawehn zurück ins Elbtal

  • September at 14:27
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    Ein schöner Reisebericht , wunderbar geschrien. Danke dafür!

  • September at 14:47
    Permalink

    Freut mich, dass es Ihnen gefällt. Danke für den Kommentar!

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